Rechtssicherheit für Kinder und Eltern: Europäische Kommission und 10 Länder preschen mit Scheidungsregelung für gemischte Ehen vor.

Eine Österreicherin und ein Engländer heiraten in Großbritannien. Das Ehepaar lebt zwei Jahre lang mit dem gemeinsamen Sohn in Österreich. Der Ehemann verlässt seine Frau und drängt auf Scheidung. Sie weiß allerdings nicht, nach welchem Recht sie sich scheiden lassen kann. Gilt österreichisches oder britisches Recht? Tausende Europäer befinden sich jedes Jahr in einer ähnlich schwierigen Lage, weil in jedem EU-Land die Zuständigkeit für Scheidungsangelegenheiten anders geregelt ist. Die Europäische Kommission legt heute eine konkrete Lösung vor: eine Vorschrift, die den Ehepaaren die Entscheidung überlässt, nach welchem Landesrecht sie sich scheiden lassen wollen. Die vorgeschlagene EU-Verordnung wird Ehepaaren gemischter Staatsangehörigkeit, Ehepaaren, die getrennt in verschiedenen Ländern leben oder die zusammen in einem anderen Land als ihrem Heimatland leben, helfen. Sie soll die Belastung der Kinder verringern und den schwächeren Partner bei Scheidungsstreitigkeiten schützen. Jedes Jahr werden in der EU rund 300 000 Mischehen geschlossen. Der heute vorgelegte Verordnungsvorschlag geht auf einen Antrag von 10 Mitgliedstaaten (Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn) auf Anwendung des Verfahrens der verstärkten Zusammenarbeit zurück. Wenn die Verordnung angenommen wird, wird erstmals in der Geschichte der EU von diesem Verfahren Gebrauch gemacht.

„Auf gemischte Ehepaare kommen manchmal unerwartete rechtliche Probleme zu, die die Tragödie einer Ehescheidung zu einer finanziellen und emotionalen Katastrophe machen können. Das kann den Betroffenen das Leben zur Hölle machen,“ so EU-Kommissarin für Justiz, Grund- und Bürgerrechte, Viviane Reding, „tausende Ehepaare sind in einer schwierigen persönlichen Lage, weil die Rechtssysteme ihrer Länder bisher keine klaren Antworten geben. Oft sind Kinder und die schwächeren Ehepartner die Leidtragenden. Wir dürfen die Menschen in der EU bei komplizierten internationalen Scheidungsfällen nicht alleine lassen. Sie brauchen klare Regeln und sollen wissen, welche Rechte sie haben, und daher haben wir uns zu diesem Schritt entschlossen.“

Die derzeitige Rechtslage für Mischehen ist komplex:

  • 20 EU-Staaten entscheiden auf der Grundlage von Bezugskriterien wie Staatsangehörigkeit und langfristiger Aufenthalt darüber, welches Landesrecht maßgebend ist, so dass die Scheidung nach dem Recht vollzogen wird, zu dem das Ehepaar einen Bezug hat.

  • 7 EU-Mitgliedstaaten (Dänemark, Lettland, Irland, Zypern, Finnland, Schweden und das Vereinigte Königreich) wenden grundsätzlich ihr Landesrecht an.

    Diese mangelnde Homogenität der Regelungen führt zu rechtlichen Komplikationen und treibt die Kosten in die Höhe. Außerdem erschwert dies einverständliche und geregelte Ehescheidungen.

Die Kommission schlägt jetzt eine gemeinsame Regelung vor, nach der darüber befunden wird, welches Landesrecht bei der Scheidung einer Mischehe gilt. In der vorgeschlagenen Verordnung ist dies wie folgt geregelt:

  • Internationale Ehepaare haben bei einer Trennung ein größeres Mitspracherecht. Sie können entscheiden, nach welchem Landesrecht sie sich scheiden lassen wollen, wenn einer der Ehepartner einen Bezug zu dem betreffenden Land hat. So kann ein schwedisch-litauisches Ehepaar, das in Italien lebt, beim italienischen Gericht beantragen, nach schwedischem oder litauischem Recht geschieden zu werden.

  • In Fällen, in denen sich die Ehepartner nicht einigen können, sollen die Gerichte diese Frage nach einem einheitlichen Verfahren entscheiden.

Ehepaare sollen auch vereinbaren können, nach welchem Recht sie sich scheiden lassen würden, wenn sie eine Scheidung gar nicht beabsichtigen. Dadurch erhalten sie mehr Rechts‑ und Planungssicherheit sowie Flexibilität und können ihrem Ehepartner und ihren Kindern komplizierte, langwierige und belastende Verfahren ersparen.

Vorgeschlagen wird auch ein besserer Schutz der schwächeren Ehepartner vor unfairer Benachteiligung in Scheidungsverfahren. Bisher konnte der Ehepartner, der die Reise- und Anwaltskosten aufbringen konnte, schnell das Gericht in einem anderen Land befassen, so dass die Scheidung nach dem Recht vollzogen werden musste, das seine Interessen beschützte. Wenn beispielsweise ein Pole nach Finnland umzieht, könnte er dort nach einem Jahr die Scheidung von seiner in Polen zurückgebliebenen Frau ohne deren Zustimmung beantragen.

Die neue Verordnung macht in den teilnehmenden Mitgliedstaaten Schluss mit diesem „Scheidungs-Shopping“, indem garantiert wird, dass das Recht des Landes angewandt wird, in dem der schwächere Ehepartner in der Ehegemeinschaft lebt oder zuletzt in der Ehegemeinschaft gelebt hat.

Die EU-Mitgliedstaaten müssen jetzt beschließen, ob den 10 Ländern die verstärkte Zusammenarbeit in diesem Bereich gestattet werden soll. Auch muss das Europäische Parlament zustimmen. „10 Regierungen haben die Kommission um einen Lösungsvorschlag gebeten. Dass dies durch das Verfahren der verstärkten Zusammenarbeit erfolgen soll, zeigt, dass die EU auch in schwierigen rechtlichen Fragen Möglichkeiten hat, den Bürgern zu helfen. Ich möchte sicherstellen, dass die Bürger von ihrem Recht, überall in Europa zu wohnen und zu arbeiten, in vollem Umfang Gebrauch machen können,“ so EU-Justizkommissarin Viviane Reding.

Hintergrund

Die Kommission legte erstmals 2006 einen Vorschlag für eine Scheidungsregelung für gemischte Ehen (die sogenannten Rom-III-Verordnung) vor, die aber nicht die erforderliche einstimmige Unterstützung der EU-Regierungen erhielt. Daraufhin erklärten 10 EU-Staaten (Bulgarien, Frankreich, Griechenland, Italien, Luxemburg, Österreich, Rumänien, Slowenien, Spanien und Ungarn), dass sie eine Regelung im Rahmen der sogenannten verstärkten Zusammenarbeit wünschten. Nach den EU-Verträgen dürfen neun oder mehr Länder eine Maßnahme einführen, die wichtig ist, aber von einer kleinen Minderheit von Mitgliedstaaten blockiert wird. Andere EU-Länder dürfen sich jederzeit der Maßnahme anschließen.

Die heute vorgeschlagene Verordnung berührt in keiner Weise die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Definition des Ehebegriffs.

MEMO/10/100

Der Verordnungsvorschlag ist abrufbar auf:

http://ec.europa.eu/justice_home/news/intro/news_intro_en.htm

 

Quelle: Pressetext  http://europa.eu/rapid/pressReleasesAction.do?reference=IP/10/347&format=HTML&aged=0&language=DE&guiLanguage=en

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