Zu dem erstmalig im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gefassten Beschluss des EU-Justizministerrats, binationale Scheidungen zu erleichtern, erklärt Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger:

 

Die Neuregelung ist ein großer Fortschritt: Allein in Deutschland leben 2,4 Millionen Ehepaare, bei denen beide oder ein Partner eine ausländische Staatsangehörigkeit haben. Das sind 13 % aller Ehepaare. Die neue Verordnung regelt für diese Paare nun EU-weit, welches Recht im Falle einer Scheidung angewendet wird.

Durch die Verordnung wird auch die Gleichheit der Geschlechter gestärkt. Klare Regeln verhindern, dass der stärkere Ehegatte – meist der Ehemann – durch geschickte Gerichtswahl ein für ihn günstigeres Scheidungsrecht zur Anwendung bringen kann.
Ich hoffe, dass das Europäische Parlament sich dem heutigen Beschluss anschließen wird.

Das Instrument der verstärkten Zusammenarbeit kann sicher nicht die Regel der Zusammenarbeit werden. Hier wird aber ein Baustein für ein bürgernahes Europa gesetzt. Ich respektiere die Entscheidungen anderer Mitgliedstaaten, nicht an der verstärkten Zusammenarbeit teilzunehmen. Unterschiedliche Rechtstraditionen gilt es zu achten. Dennoch hoffe ich, dass sich noch weitere Staaten bald diesem Weg anschließen.

Zum Hintergrund:
Der Justizministerrat hat eine Verordnung gebilligt, mit dem die Ehescheidung und die Trennung von Bett und Tisch in Europa erleichtert werden soll. Dies geschieht allerdings nicht durch eine Harmonisierung des materiellen Scheidungsrechts, sondern durch eine Vereinheitlichung des für diesen Bereich geltenden, in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlichen internationalen Privatrechts.

Der Beschluss ist erstmalig im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit gefallen. Da das anwendbare Recht bei Scheidungen Teil des Familienrechts ist, müssen Entscheidungen einvernehmlich zwischen den 27 Mitgliedstaaten der EU fallen. Angesichts der großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten in diesem Bereich war das nicht möglich. Der Vertrag von Lissabon ermöglicht es, mit dem Institut der verstärkten Zusammenarbeit den Staaten, die dennoch Regeln in diesem Bereich wünschen, voranzugehen. 14 Mitgliedstaaten haben diesen Weg gewählt.

Zu dieser Verordnung ist noch das Europäische Parlament anzuhören, dann kann sie formell verabschiedet werden.

Die Rom III-Verordnung verstärkt vor allem die Privatautonomie der Ehegatten. Diese können die Rechtsordnung wählen, der sie eine Scheidung unterstellen wollen. Die gewählte Rechtsordnung muss über den gewöhnlichen Aufenthalt der Ehegatten, ihre Staatsangehörigkeit oder den Gerichtsort eine enge Verbindung zu ihrer Lebensführung ausweisen. Zum Schutz des schwächeren Ehegatten muss die Rechtswahl mindestens schriftlich vorgenommen sein. Die Mitgliedstaaten können auch eine strengere Form anordnen, beispielsweise dass die Ehegatten sich vorher anwaltlich beraten lassen müssen. Wenn die Ehegatten keine Rechtswahl vorgenommen haben, wird das anwendbare Recht nach objektiven Kriterien bestimmt. Maßgeblich sind auch hier besonders der Lebensmittelpunkt der Ehegatten, ihr letzter gewöhnlicher Aufenthalt oder ihre Staatsangehörigkeit. Da über die Rechtswahl oder die objektive Anknüpfung nicht nur das weitgehend bekannte Scheidungsrecht der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zur Anwendung kommen kann, sondern auch das Recht aus Drittstaaten, und damit aus einem anderen Kultur- und Rechtskreis, ist in der Rom III-Verordnung eine Kontrolle vorgesehen, ob die Anwendung dieses Rechts im Einzelfall auch angemessen ist. Dafür sehen die Artikel 5 und 7 eine spezielle und allgemeine ordre-public-Klausel vor. Wenn das ausländische Recht gegen wesentliche rechtliche Grundprinzipien im Gerichtsstaat verstößt, kann seine Anwendung ganz oder zum Teil unterbleiben.

Die Rom III-Verordnung ist nicht isoliert, sondern immer im Zusammenhang mit der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung zu sehen.

Beide Rechtsakte zusammen verwirklichen den bisher in der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bewährten Integrationsansatz, der mindestens drei Elemente umfasst:

  • Bestimmung der internationalen Zuständigkeit der Gerichte im erfassten Rechtsgebiet;
  • Erleichterung der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf dem Rechtsgebiet;
  • Harmonisierung des internationalen Privatrechts in dem Rechtsgebiet.

 

Quelle: BJM Pressemitteilung 03.12.2010

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