Der u. a. für Familiensachen zuständige XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte sich erstmals mit Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem zum 1. Januar 2008 geänderten Anspruch auf Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB) zu befassen. Weil dieser Anspruch und der Anspruch auf nachehelichen Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) durch das Unterhaltsrechtsänderungsgesetz einander weitgehend angeglichen worden sind, hat die Entscheidung auch erhebliche Auswirkungen auf die Dauer des nachehelichen Betreuungsunterhalts.
Die 1968 geborene Klägerin und der 1962 geborene Beklagte lernten sich kennen, als die Klägerin von ihrem früheren Ehemann getrennt lebte und ihren im März 1995 geborenen ehelichen Sohn versorgte. Als die Klägerin von dem Beklagten schwanger war, zogen die Parteien zusammen; im Dezember 1997 wurde ihre gemeinsame Tochter geboren. Ein weiteres gemeinsames Kind wurde im Januar 2001 geboren.
Die Parteien trennten sich im Juni 2002. Seit Februar 2004 hat die Klägerin einen neuen Freund. Der Beklagte ist seit Oktober 2004 mit einer neuen Partnerin verheiratet.
Das Berufungsgericht hatte den Beklagten verurteilt, neben dem Kindesunterhalt an die Klägerin rückständigen und laufenden Betreuungsunterhalt, zuletzt in Höhe von monatlich 216 €, zu zahlen. Den Anspruch auf Betreuungsunterhalt hat es allerdings auf die Zeit bis zur Vollendung des sechsten Lebensjahres des jüngsten gemeinsamen Kindes, also bis Januar 2007, beschränkt. Auf die Revision der Klägerin, die einen unbefristeten und höheren (monatlich 1.335 €) Unterhalt begehrt, und die Anschlussrevision des Beklagten, der Klagabweisung und Rückzahlung eines Teils des in der Vergangenheit geleisteten Unterhalts anstrebt, hat der Bundesgerichtshof die angegriffene Entscheidung aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Der Bundesgerichtshof hatte neben Fragen der Einkommensermittlung vor allem zwei in Rechtsprechung und Literatur umstrittene Rechtsfragen zu beantworten, die sich auf die Höhe des Unterhaltsbedarfs und auf die Dauer des Anspruchs auf Betreuungsunterhalt auswirken.
1. Zur Bedarfsbemessung:
Der Unterhaltsbedarf richtet sich beim nachehelichen Unterhalt allgemein nach den fortgeschriebenen ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 BGB; vgl. insoweit BGH FamRZ 2008, 968), wird also vom beiderseitigen Einkommen der geschiedenen Ehegatten abgeleitet. Der nacheheliche Betreuungsunterhalt stellt den Unterhaltsberechtigten allerdings nur so, wie er stünde, wenn er selbst voll arbeiten könnte. Die Differenz zu den – auch vom Einkommen des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten abgeleiteten – ehelichen Lebensverhältnissen sichert hingegen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB).
Beim Anspruch auf Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelichen Kindes richtet sich der Unterhaltsbedarf nach ihrer eigenen Lebensstellung (§§ 1615 l Abs. 2 und 3, 1610 Abs. 1 BGB). Auch dieser Anspruch stellt die Unterhaltsberechtigte so, wie sie stünde, wenn das gemeinsame Kind nicht geboren wäre. Hatte die unterhaltsberechtigte Mutter vor der Geburt eigene Einkünfte, bemisst sich ihr Unterhaltsbedarf nach diesen Einkünften, allerdings nicht über die Hälfte des Einkommens des Unterhaltspflichtigen hinaus. War die Mutter des gemeinsamen Kindes – wie hier – geschieden und hatte sie wegen der Betreuung eines ehelichen Kindes einen Unterhaltsanspruch gegen ihren geschiedenen Ehemann, richtet sich ihre Lebensstellung und somit ihr Bedarf für den Unterhaltsanspruch gegen den Vater des später nichtehelich geborenen Kindes nach diesem Unterhaltsanspruch. Umstritten war, ob sich bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft vor der Geburt des Kindes die für den späteren Unterhaltsbedarf ausschlaggebende Lebensstellung auch aus einem höheren Einkommen des nichtehelichen Lebenspartners ergeben kann. Das Oberlandesgericht hatte dies angenommen, weil die Parteien schon vor der Geburt des Kindes zusammengezogen waren und die Klägerin durch das Zusammenleben eine entsprechende – vom Einkommen des Beklagten abgeleitete – Lebensstellung erworben habe. Der Bundesgerichtshof hat diese Auffassung nicht geteilt. Im Unterschied zur Ehe ergeben sich allein aus einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft (ohne Kind) keine Unterhaltsverpflichtungen. Sollten die Parteien seinerzeit also zusammen von dem Einkommen des Beklagten gelebt haben, lägen darin freiwillige Leistungen, die der Beklagte vor Beginn des Mutterschutzes jederzeit hätte beenden können. Eine nachhaltige Lebensstellung konnten diese tatsächlichen Umstände nicht begründen, sodass es bei der Lebensstellung nach der Höhe des Unterhaltsanspruchs gegen den geschiedenen Ehegatten verblieb.
2. Zur Dauer des Betreuungsunterhalts:
Nachdem das Bundesverfassungsgericht die frühere Regelung für verfassungswidrig und nur noch bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für anwendbar erklärt hatte (BVerfG FamRZ 2007, 965), hat der Gesetzgeber den Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils neu geregelt. Lediglich für Unterhaltsansprüche, die vor dem 1. Januar 2008 fällig geworden waren, gilt nach § 36 Nr. 7 EGZPO das frühere Recht weiter.
Das bis Ende 2007 geltende Recht sah für den nachehelichen Betreuungsunterhalt in § 1570 BGB a.F. einen zeitlich unbegrenzten Anspruch vor, der von der Rechtsprechung sehr weitgehend, aber auch sehr pauschaliert in Sinne eines Altersphasenmodells ausgelegt wurde. Bis zur Vollendung des 8. Lebensjahres des Kindes musste der betreuende Elternteil nicht arbeiten und hatte einen vollen Unterhaltsanspruch. Danach, bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, sollte nur eine halbschichtige Tätigkeit zumutbar sein und der Unterhaltsanspruch nur wegen des restlichen Unterhaltsbedarfs fortbestehen. Für den Betreuungsunterhalt der Mutter des nichtehelich geborenen Kindes sah das Gesetz nur einen zeitlich begrenzten Unterhaltsanspruch bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres vor, der nur dann verlängert werden konnte, wenn es grob unbillig gewesen wäre, den Unterhaltsanspruch nach Ablauf dieser Frist zu versagen. Allerdings hatte der Bundesgerichtshof schon die Verlängerungsmöglichkeit nach dieser früheren Regelung aus verfassungsrechtlichen Gründen weit ausgelegt (BGH FamRZ 2006, 1362).
Die für Unterhaltsansprüche ab Januar 2008 geltende gesetzliche Neuregelung hat den nachehelichen Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB) und den Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes (§ 1615 l Abs. 2 BGB) auch zur Dauer einander weitgehend angeglichen. Allerdings kann danach in beiden Fällen zunächst nur für die Dauer von mindestens drei Jahren nach der Geburt Betreuungsunterhalt verlangt werden. Verlangt der betreuende Elternteil aus Billigkeitsgründen Unterhalt über diese Dauer hinaus, muss er die Gründe dafür darlegen und beweisen, was eine individuelle Beurteilung der Verhältnisse erfordert.
Gründe, die für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen können, ergeben sich zunächst nach den insoweit wortgleichen Vorschriften der §§ 1570 Abs. 1 Satz 2 und 3, 1615 l Abs. 2 Satz 4 und 5 BGB aus kindbezogenen Gründen, wobei die Belange des Kindes und die Möglichkeiten der Kinderbetreuung zu berücksichtigen sind. Insoweit darf aus verfassungsrechtlichen Gründen und wegen der identischen gesetzlichen Regelung nicht zwischen ehelich und nichtehelich geborenen Kindern differenziert werden.
Daneben können aber auch elternbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts sprechen. Beim nachehelichen Betreuungsunterhalt sieht § 1570 Abs. 2 BGB dies ausdrücklich vor und verweist dabei auf die Gestaltung von Kinderbetreuung und Erwerbstätigkeit in der Ehe sowie deren Dauer. Auch die gesetzliche Regelung zum Betreuungsunterhalt der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes schließt dies nicht aus, indem es eine Verlängerung „insbesondere“ aus kindbezogenen Gründen vorsieht. Daraus und aus dem Schutz der Familie in Art. 6 Abs.1 GG lässt sich entnehmen, dass sich die Möglichkeit zur Verlängerung des Betreuungsunterhalts der Mutter eines nichtehelich geborenen Kindes aus elternbezogenen Gründen um so mehr der Verlängerungsmöglichkeit beim nachehelichen Betreuungsunterhalt annähern kann, als die Beziehung der Eltern einer Ehe vergleichbar war, also bei längerem Zusammenleben oder bei einem gemeinsamen Kinderwunsch.
Ferner hat der Bundesgerichtshof auf einen weiteren Gesichtspunkt hingewiesen, der ebenfalls für einen verlängerten Anspruch spricht und im Gegensatz zu den zuvor genannten Umständen möglicherweise nach dem Alter des Kindes generalisiert werden kann. Selbst wenn ein Kind im Kindergarten volltags betreut wird, führt dies nämlich noch nicht notwendig zu einer vollschichtigen Erwerbspflicht des betreuenden Elternteils. Denn zusätzlich zur Betreuung insbesondere in den Abendstunden könnte eine vollschichtige Erwerbspflicht überobligatorisch sein. Ob sich aus dem Gesichtspunkt einer überobligationsmäßigen Doppelbelastung ungeachtet des gesetzlichen Regelfalls eines dreijährigen Betreuungsunterhalts Fallgruppen bilden lassen, die auf Erfahrungswerten beruhen und – z.B. nach dem Alter des Kindes – einer gewissen Pauschalierung zugänglich sind, wird das Berufungsgericht prüfen müssen. Allerdings wird dieser Gesichtspunkt allein regelmäßig angesichts einer eingeschränkten Erwerbspflicht nicht zu einem vollen Unterhaltsanspruch führen können.
Quelle: Pressestelle BGH